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Im karg möblierten Parterre-Studio ihres Hauses am See schreibt Irene Escher (36) konzentriert am Computer. Als ihre sechsjährige Tochter Emmi auf Zehenspitzen in den Raum schleicht und flüsternd fragt: «Wo isch de Toni?», scheucht Frau Escher den kleinen Störenfried weg. Als sie wenig später selber nach dem Verbleib ihres Sohnes fragt, der immer noch nicht aus der Schule nach Hause gekommen ist, erfährt Irene, dass der Zehnjährige an diesem Tag überhaupt nicht in der Schule erschienen ist. Toni ist verschwunden! Die Lehrerin rät, sofort die Polizei zu benachrichtigen. Eine Detektivin durchsucht daraufhin erst einmal systematisch das Haus und die nähere Umgebung. Als Tonis Schulfreund im Wald das Fahrrad und den Schulsack von Toni findet, durchkämmt die Polizei den Uferwald mit Hunden. Taucher suchen den Seegrund ab. Nichts. Ist Toni davongelaufen, weil sich seine Eltern erst kürzlich getrennt haben, wie die Detektivin vermutet. Oder ist er beim Tauchen im See ertrunken? Liegt ein Sittlichkeitsverbrechen vor? Eine Entführung? Soll sein reicher Grossvater erpresst werden, wie dieser selbst annimmt? Oder gar die Atomindustrie, für die Tonis Vater arbeitet, der gerade von einer Geschäftsreise aus dem Ausland zurückkehrt? Die Polizei sucht nach Spuren, verhört einen Verdächtigten und ruft den Chef des Kriminalkommissariats, Anatol Wasser (45), aus dem Urlaub zurück. Kommissar Wasser ist es, der, nachdem aus der gleichen Region auch noch ein zehnjähriges Mädchen als vermisst gemeldet wird, in der elektronischen Fahndungsdatei eine sensationelle Entdeckung macht: An jenem Freitag, an dem Toni und das Mädchen auf dem Weg zur Schule verschwunden sind, sind landesweit noch zehn weitere Mädchen und Buben im selben Alter spurlos verschwunden, und zwar auf alle vier Sprachregionen der Schweiz verteilt!
Der Kommissar ist fest davon überzeugt, einem organisierten Verbrechen auf die Spur gekommen zu sein. Er wittert die Chance seines Lebens und lässt sich zum Leiter einer eilends eingesetzten Sonderkommission berufen. Schon am nächsten Tag reist Wasser durch die ganze Schweiz, um die Eltern dieser Kinder zu besuchen: Für die Ursache ihres Verschwindens muss es einen gemeinsamen Nenner geben! Er wird mit den unterschiedlichsten Familienstrukturen und Milieus konfrontiert, doch davon abgesehen, dass alle betroffenen Familien an einem See wohnen, ergeben sich keine Gemeinsamkeiten – weder gesellschaftlich, noch beruflich oder weltanschaulich. Die Vermutungen der Eltern bezüglich der Identität und der Motive der Entführer könnten widersprüchlicher nicht sein. Ratlos schreibt Kommissar Wasser in sein Tagebuch: «Wir alle tappen im Dunkeln. »Für die Familien der spurlos verschwundenen Buben und Mädchen hat an diesem Freitag bei Vollmond ein Alptraum begonnen. Die Polizei geht allen Verdächtigungen, Vermutungen, Hinweisen und Spuren nach, findet aber weder Täter noch eine Erklärung für den rätselhaften Fall, zumal sich auch keine Entführer melden. Trotz der von Kommissar Wasser verfügten Nachrichtensperre lässt sich das Verschwinden der Kinder nicht lange geheim halten. Bald stürzen sich die Medien auf den sensationsträchtigen Fall, und immer neue Gerüchte dringen an die Öffentlichkeit. Ein privater Fernsehsender unterläuft die Informationssperre so systematisch wie skrupellos, beruft sich auf seine Informationspflicht und startet eine tägliche Sendung, in der die Schicksale der betroffenen Familien vermarktet werden. Die aufgeschreckte Bevölkerung nimmt regen Anteil am Schicksal der verschwundenen Kinder und ihrer Familien. Nach zehn Tagen nimmt der Fall eine unerwartete Wendung: Alle Eltern erhalten endlich ein Lebenszeichen von ihren Kindern – einen handgeschriebenen Brief. Nach der ersten Erleichterung stellt sich jedoch gleich wieder Ernüchterung ein, denn wie sich herausstellt, steht in allen Briefen genau das gleiche. Der offensichtlich diktierte, orakelhafte Text gibt den betroffenen Müttern und Vätern grosse Rätsel auf. Einzelne von ihnen ergreifen nun selbst die Initiative und stellen eigene Recherchen an. Für die Polizei steht mittlerweile fest, dass die Täterschaft in fundamentalistischen Kreisen zu suchen ist, und sie intensiviert über alle Kantonsgrenzen hinweg die Fahndung nach den mysteriösen Entführern. Doch die sechs Buben und sechs Mädchen bleiben, wie vom Erdboden verschluckt, unauffindbar. Im Alltag der betroffenen Familien passieren nun immer häufiger ganz seltsame und irritierende Dinge, für die weder die Eltern noch die Polizei eine Erklärung haben. Irene Escher, die Mutter des verschwundenen Toni, organisiert daraufhin eine Zusammenkunft aller Mütter. In einem abgelegenen Hotel tauschen sie ihre Erfahrungen, Ängste und Träume aus. Der als Gast anwesende Kommissar Wasser verblüfft die versammelten Mütter, indem er sie abschliessend auffordert: «Wenn Sie Ihre Kinder lebend zurückbekommen wollen, hoffen Sie nicht mehr auf die Polizei, beginnen Sie selber aktiv zu werden. Nehmen Sie die Briefe Ihrer Kinder beim Wort. Sie haben bis zum nächsten Vollmond noch sechs Tage Zeit.»

 

Auf welche Weise und mit welchem Ergebnis sie diese verbleibende Zeit nutzen, soll hier nicht verraten werden.

VOLLMONDplakat Spielfilm, CH/D/F 1998, 124'
Farbe, 35mm
Regie Fredi M. Murer

 

Originalversion: Schweizerdeutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch

In Koproduktion mit Pandora Film, Köln und Arena Films, Paris.

Besetzung: Hanspeter Müller, Lilo Baur, Benedict Freitag, Mariebelle Kuhn u.a.