Interview with the artists

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Gespräch mit Peter Fischli und David Weiss, geführt von Robert Richter im August 1983

Trotz ihrer Anstrengungen glauben die beiden Stofftiere am Ende des Films, von niemandem gehört zu werden. Sie beschliessen, lauter zu werden. Wie darf man diesen Entscheid auffassen?

Peter Fischli: Lauter ist vor allem die Musik, vermischt mit Lärm. Die beiden Stofftiere sind während des ganzen Films allein. Es mag die Hoffnung aufkommen, dass es noch andere solche Stofftiere gibt, mit denen sie in Kontakt treten können. Vielleicht ist es einfach auch die Arroganz der Autoren, ihr Werk laut zu beenden.

David Weiss: Es geht da um Dinge, die man eher mit poetischen Massstäben als mit wissenschaftlichen erfassen kann. Die Sache etwa mit der in den Himmel gerichteten Wurzel, aus der die Ratte ihrer Meinung nach stammt, ist eine Spielerei, die zeigt, dass man einfache Dinge aus einer anderen Sicht sehen kann. Die beiden kommen an viel zu grosse Probleme heran, die sie niemals lösen können. Aber sie finden einen Dreh, weiterzugehen; ein Sich-Abfinden damit dass sie unfreiwillig auf einer Reise sind. Der Spass an der Geschichte liegt darin, dass sie immer nahe am Boden bleibt, dass sie nicht etwa phantastisch wird – mit Ausnahme einiger filmtechnischer Hicks. Denn die Probleme, denen sie begegnen, sind aktuell und ziemlich gewöhnlich und entwickeln sich aus der Beziehung zwischen den beiden. Da tauchen die Motive des Abschiebens einer Schuld (wenn sie sich verirren und die Schuld den Hunden zuschieben) oder des Grössenwahns auf.
Dass man bei kleinen Sachen bleibt, hat auch mit den Finanzen zu tun. So wird das Einfangen des Sälis zur grossen Tat, die als Einfall gut nachvollziehbar bleibt und wenig kostet: ein Schwein mieten kostet 40 Franken.

Was hat Euch an der Geschichte primär interessiert?

Peter Fischli: Gegenüber den Sachen, die die beiden auf ihrem Weg antreffen, hegen sie Vermutungen. Sie denken darüber nach, was ihnen da entgegenkommt. Uns reizt es, dass die Reaktionen auf die Umwelt, die durchaus Fehleinschätzungen sein können, zu Selbstdarstellungen werden. Im Gegensatz zu «Der geringste Widerstand« entsteht der Humor aus den Reaktionen von Ratte und Bär, durch ihr Schummeln, Sich-Durchmischeln und Scheitern.

David Weiss: Das Arrangement gegenüber den grossen Fragen, das ja ein jeder für sich selbst treffen muss, ist eine typische, alltägliche Situation. Humor ist natürlich – ganz grundsätzlich gesehen – ein Transport- und Kommunikationsmittel für solche Themen. Die beiden in ihrem Ausgeliefertsein darzustellen, dies ohne konkrete Behauptungen, ohne Doktrin, das ist schon ein besonderer Reiz.

Wie weit habt Ihr Euch die Geschichte im Drehbuch zurechtgelegt; wieviel habt Ihr an Ort und Stelle improvisiert?

David Weiss: Wir wollten nicht lange Geld suchen, also mussten wir billig arbeiten. Wir sind nicht vorsätzlich mit einer Idee dahintergegangen. Die Rationalisierung des Inhalts, der Ideen kam mit und nach der Arbeit. Die primäre Idee war: Wir machen einen Spaziergang durch die Schweiz, so wie man sie sonst nicht nimmt, von der besten Seite. Dabei wollten wir die Klischeelandschaften, die besetzten Landschaften von ihrer Bedeutung leeren. Solche Überlegungen entstanden als eine Entwicklung, die durch den Entschluss gegeben war, die Geschichte jenseits einer Zivilisation anzusiedeln.

Hat das Arbeiten mit Stofftieren etwas mit den Vorzügen der Abstraktion zu tun?

Peter Fischli: Ja. Man kann so den beiden Dingen in den Mund legen, die sonst wesentlich problematischer auszudrücken wären. Es ist etwas anderes, wenn Ratte und Bär grosse Themen behandeln, als wenn wir darüber einen Film machen und grosse Statements herausgeben. Das liefe Gefahr, lächerlich zu werden.

Gibt es Ratte und Bär weiterhin?

Peter Fischli: Die Kostüme sind im Moment eingemottet.

© 2000 Kunstverlag Ingvild Goetz GmbH, Sammlung Goetz, Autoren, Künstler

Kurzfilm, CH 1983, 55′, Farbe, 16mm
 
Regie
Peter Fischli, David Weiss
 
Originalversion: Deutsch
 
Produktion
T&C Film Zürich
 
Weltvertrieb
T&C Edition Zürich