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Von Robert Richter

An einem bestimmten Punkt anfassen und davon ausgehend interpretieren lässt sich der zweite Film mit den Stofftieren Ratte und Bär kaum. Immer wieder befreit sich die unkomplizierte und dennoch an Anspielungen reiche Geschichte von Peter Fischli und David Weiss «Der rechte Weg« von grossen, vielleicht ideologischen Interpretationen oder lässt sie in gewisser Distanz als Möglichkeit offen. Nach «Der geringste Widerstand« – zwei Jahre vorher entstanden – überrascht «Der rechte Weg« durch die feine und durchdachte Konzeption der an sich groben Grundkonstellation des Films. Während der erste Film mit Ratte und Bär sich wie ein holpriger Gag präsentiert, so glänzt «Der rechte Weg« durch seine Mischung aus einfacher Geschichte, Naivität der Figuren und satirischem Geschick der Autoren. Ratte und Bär sind diesmal unterwegs in Schweizer Landschaften, die prähistorisch erscheinen, weil sie (noch} keine Spuren unserer Zivilisation, unserer einzig auf Vorteile für den Menschen ausgerichteten Gesellschaft zeigen. Das gibt den Autoren, die unter den Kostümen stecken, die Möglichkeit, frei und scheinbar ohne Hintergedanken mit diesen Landschaften und ihren Eigenheiten zu spielen, auf sie in phantasievoller Weise zu reagieren. Für die Stofftiere indes geht es ums Überleben, ums Überleben in der gegebenen Umwelt und innerhalb der Beziehung der beiden.
In den Konfrontationen mit sich und der Umwelt reagieren die beiden Stofftiere recht hilflos und ohne irgendeinen grösseren Zusammenhang oder Sinn entdecken zu können. Das Treiben von Ratte und Bär wird zur Selbstdarstellung der beiden; ihre Naivität zeigt sich in ihrem vermeintlich gewitzten Verhalten, das bei genauerem Hinsehen nur auf dem kurzfristigen, eigenen Vorteil beruht.
Die Geschichte, die sich ohne einen geschlossenen Bogen aufzuweisen kreuz und quer entwickelt, wird zum stilisierenden, parabelhaften Spiegel für die aktuelle Gesellschaft. Erkenntnisse, Schlussfolgerungen, Motive und Reaktionen bleiben auf einem niedrigen Niveau; Ratte und Bär scheitern bereits an den primären Anforderungen, die ihre Existenz an sie richtet. Konkret zeigt sich das an ihren Zankereien, an dem gegenseitigen Zuschieben der Schuld, der gegenseitigen Abhängigkeit und den offenbar falschen Einschätzungen ihrer Umwelt und ihrer selbst. Nur in den Augen von Ratte und Bär fügt sich die Umwelt dem Tun der beiden. Ihre nicht eingestandene Hilflosigkeit auch sich selbst gegenüber zeigt sich etwa in der Episode mit dem Säuli. Ratte und Bär treffen ein Säuli, das sie liebevoll aufnehmen. Eines Tages dreht sich das Säuli brutzelnd an einem Spiess, und Ratte und Bär streiten darüber, wer wessen Säuli getötet und gebraten hat.
Eine konkret fassbare Botschaft vermittelt der Film nicht, seine Geschichte bleibt bewusst eng verbunden mit konkret-realen Dingen. Wiedergegeben und spielerisch aufgearbeitet wird indes eine Palette von Widersprüchlichkeiten unserer Gesellschaft.
Nicht allein die sich philosophisch gebenden Aussprüche der beiden Tiere – etwa: «Wenn’s so bleibt, wie es ist, wird alles gut. Dafür werd’ ich sorgen.« – besitzen politischen Zündstoff. Wenn der Zuschauer ob der trivialen, selbstgefälligen Einschätzungen wie auch ob der darauffolgenden Taten der beiden lacht, so hat er die Bezüge, die Parallelen zu sich und zu unserer Gesellschaft schon entdeckt. Er hat den provokativen Humor verstanden. Die parabelhafte Einfachheit wird auch in der Form spürbar. Der dramaturgische Ablauf ist geradlinig und frei von jeglichen Belastungen inhaltlicher Tiefgründigkeit. Mit derselben, gespielten Naivität hält die Kamera (Pio Corradi) das Agieren der Stofftiere fest. Auch hier wird anhand des immer wieder auftretenden Bildwitzes (etwa die Täuschung bezüglich Grössenverhältnisse, der Ratte und Bär nicht gewachsen sind und die einen kleinen Strauch zu einem Baum werden lässt) der spielerische Umgang mit vorgegebenem Material deutlich. Damit unterlässt es der Film – dies ist sein besonderer Reiz-, sich einen bestimmten Anstrich von Wichtigkeit zu geben.

© 2000 Kunstverlag Ingvild Goetz GmbH, Sammlung Goetz, Autoren, Künstler

Kurzfilm, CH 1983, 55′, Farbe, 16mm
 
Regie
Peter Fischli, David Weiss
 
Originalversion: Deutsch
 
Produktion
T&C Film Zürich
 
Weltvertrieb
T&C Edition Zürich